47. Wahrscheinlich Kobold

von Charlotte Engmann

Wahrscheinlich Kobold

(Die Ring-Ebene)

von Charlotte Engmann

Yarry war als letzter übrig geblieben.

Einsam und verängstigt kauerte er sich in die hinterste Ecke des Kerkers.

Ungewißheit nagte an ihm; er wußte nicht, welches Schicksal ihnerwartete und was den anderen fünfhundert Kobolden widerfahren war.

Sicherlich nichts Gutes.

Als sich die Tür öffnete, verbarg er das Gesicht in seinen Händen,davon ausgehend, daß er nicht gesehen würde, wenn er nichts sah.

Doch der Elfenkrieger fand ihn problemlos, packte ihn grob am Kragen und trug den angststarren Kobold in den großen Saal am Ende des düsteren Ganges.

Auf einem Thron an der rechten Wand saß eine Magierin, gekleidet in die langen, silbrigen Roben ihres Standes.

Ihr tiefrotes Haar war zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmt,

die die Strenge in ihrem schönen Gesicht betonte.

Müde musterte die Elfe den Kobold, griff mit einer gelangweilten Bewegung nach dem Lederbecher, der auf einem Tischchen zu ihrer Rechten stand, und schüttelte ihn.

Das Klickern der darin befindlichen Würfel klang in Yarrys Ohrenwie das Klappern von Knochen, das sein letztes Stündlein einläutete.

Die Magierin würfelte.

Dann hob sie den Becher, sagte etwas in einer melodischen, fremden Sprache, und die junge elfische Schreiberin, die auf einem Schemel zu ihrer Linken saß, notierte es in dem-

Buch auf ihren Knien.

Voller Entsetzen starrte Yarry die Magierin an, die sich eine Zeitlangschweigend an seiner Angst weidete, bevor sie dem Krieger winkte.

Der Elf wies auf die drei gleichen Holztüren an der Stirnseite des Saales .

"Hinter einer der Türen liegt der Weg in die Freiheit,hinter den anderen - der sichere Tod",fragte er in der Koboldsprache.

"Wähle."

Yarry begann furchtsam zu zittern.

Er durfte ihnen nicht trauen, nur Böses erwarten.

Er fragte sich, wo die anderen Kobolde geblieben waren.

Ob sie alle die falschen Türen gewählt hatten?

Ungeduldig schüttelte der Krieger Yarry heftig.

"Entscheid' dich."

Mit klopfenden Herzen hob Yarry die Hand und zeigte auf die Tür ganz links.

"Bist du sicher?"

Die Stimme des Elfen klang ungewohnt freundlich, fast sanft.

Verunsichert zögerte Yarry, dann nickte er.

"Vielleicht überlegst du es dir doch noch,wenn wir dir zeigen, wo die Freiheit nicht liegt."

Ein Wink der Magierin öffnete die rechte Tür.

Dahinter verschlossen Eisenstangen den Gang, und das laute Fauchen eines Raubtiers ertönte.

Yarry zuckte entsetzt zusammen.

"Da lag der sichere Tod". meinte der Krieger.

"Bleibst du bei deiner Wahl?"

Yarry biß sich auf die Lippen.

Seine Hand zitterte, als er zur mittleren Tür zeigte.

"Sicher?"

Yarry nickte entschlossen.

"Gut."

Der Krieger zog einen Schlüssel aus seinem Gürtel und reichte ihn Yarry.

"Dann lauf."

Er ließ den Kobold von der Hand. Yarry schnappte sich den Schlüssel und raste los,fürchtend, ein Messer könne ihm in den Rücken geworfen werden.

Atemlos erreichte er die mittlere Tür, öffnete sie mit zitterndenHänden und verschwand in der dahinter liegenden Dunkelheit.

Der Elfenkrieger setzte zum Sprechen an,doch die Magierin Zoundawinkte ihm zu schweigen.

Sie lauschte angestrengt.

Dann erklang der Schrei, und sie lächelte amüsiert.

Er seufzte lediglich erleichtert.

"Endlich, ich konnte das Gezücht schon nicht mehr ertragen. Fünfhundert Stück!"

Zounda beachtete Tuscars Klagen nicht weiter.

"Was hat die Untersuchung ergeben?" fragte sie ihre Schreiberin Dantana.

"Zuerst liegt die Wahrscheinlichkeit, daß die gewählte Tür die Richtige ist, bei 33%.

Wird die eine Tür geöffnet, dann ist die Tür in die Freiheit öfter die Nichtgewählte als die Gewählte.

Der letzte Kobold hatte sich schon richtig entschieden."

Sie zögerte und ergänzte dann: "Theoretisch."

uscar lachte auf und reichte der Magierin die Hand.

Während die Blutelfen den Saal verließen, hob Zounda den Illusionszauber auf.

Die Stirnwand mit den drei Holztüren verschwand, und stattdessen wurden die Eisenstäbe sichtbar, die den Saal in Wirklichkeit begrenzten.

.Es gab drei Gittertüren, die alle in den gleichen Käfig führten, in welchem sich ein Höhlenlöwe befand und etwas fraß -wahrscheinlich Kobold.

VORBEI

C. by Charlotte Engmann

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