49. Schrödigers Kaninchen

von Charlotte Engmann

Schrödigers Kaninchen

(Die Vierte Ebene: Die Ring-Ebene)

von Charlotte Engnmann

für JAn

" Was machst du da?"

Schrödiger wurde totenblaß.

Die Melodie der Worte verriet die Rasse der Sprecherin, und die verhieß sicheren Tod.

Vor lauter Schreck ließ er fast den Sack und die Giftflasche fallen.

Doch seine Hände hielten fest, als ob sie selbständig von der ebenfalls tödlichen Gefahr in beiden Gegenständen wüßten.

Langsam und widerwillig drehte sich Schrödiger um.

Die junge Blutelfe, die sich unbemerkt genähert hatte, musterte ihn neugierig.

Lässig hielt sie einen Bogen in der Hand, und ein Köcher mit Pfeilen hing neben einem Jagdmesser an ihrem Gürtel.

Ihre Tunika, Hose und Stiefel waren aus braunem Leder, abgetragen und recht verdreckt.

Als Schrödiger nicht antwortete, verzog sich ihr Gesicht ungeduldig, und ihre stolze Haltung wurde drohend.

"Das... ist... ein Experiment", stotterte Schrödiger eilig.

"Aus einer Reihe von Versuchen, um die Zustände lebend - tot zu begreifen."

Er zeigte auf die offene Kiste zu seinen Füßen, die mit einer Trennwand versehen war.

In die eine Hälfte stellte er die Flasche, um deren Verschluß eine Schnur gewunden war, die er durch ein Loch in der Kiste zog.

Den ledernen Sack steckte er in die andere Seite der Kiste, die er daraufhin schloß.

Währenddessen erklärte er mit wachsender Begeisterung sein Experiment, und die Aufregung vertrieb die Angst.

"Ich spanne die Schnur über den Gang und verlasse diesen Höhlenabschnitt.Ich überlasse es dem Zufall, ob etwas den Gang durchquert und damit an der Schnur zieht.

In diesem Fall wird der Korken von der Flasche gezogen, die Flüssigkeit darin verwandelt sich in giftigen Rauch und tötet das Kaninchen in dem Sack.

Wenn ich nun wiederkomme, weiß ich nicht, ob das Kaninchen noch lebt oder nicht.

Es befindet sich also in einem Zustand lebend/tot, ohne untot oder wieder- erweckt zu sein."

Schrödiger spannte die Schnur über den Gang.

"Fertig. Gehen wir?"

Als sie nickte, nahm er seine Fackel auf und führte die Elfe den Gang hinab.

Die Angst kehrte zurück, und er überlegte, wie er sich ihrer entledigen und mit seinem Leben davonkommen konnte.

Blutelfen töteten zum Spaß, und Schrödiger vermutete, daß diese hier ihn nur leben ließ,weil das Experiment sie interessierte.

Er begann sich zu fragen, wie sie überhaupt hierher gekommen war.

Zum einen lebte er in einem gefährlichen Bereich der unterirdischen Höhlen, weitab von dem Berg Khorken und den Behausungen anderer Kreaturen,

und zum anderen hatte er viele Fallen aufgebaut, die unerwünschte Besucher abhalten sollten.

Als er an seine Fallen dachte, fiel ihm prompt ein ganz bestimmter Weg ein, den er daraufhin einschlug.

*

Dantana entging nicht die veränderte Haltung des Gnoms.

Er schien die Angst verloren zu haben, sein Schrittwurde sicherer.

Er heckte etwas aus, das war offensichtlich.

Sie erinnerte sich an die Fallen, die sie auf dem Weg überwunden hatte, und ahnte, dass er sie zu einer weiteren führen würde.

Aufmerksam mussterte sie ihre Umgebung.

Spinnennetze hingen von der Decke herab,und nach einer Weile entdeckte sie eine tiefe Furche in der Wand.

Da der Gnom ihr nur bis an die Brust reichte, würde er unbeschadet bleiben, wenn eine Waffe aus dem Fels fuhr.

Die Spinnennetze wehten sanft.

Gedankenschnell warf sich Dantana zu Boden.

Die aus der Wand fahrende Eisensichel zischte über ihren Kopf hinweg.

Noch im Liegen zog die Elfe die Beine an und warf sich nach vorne.

Sie schnellte durch die Luft und bemerkte zu spät das tiefe Loch im Boden, wo sie landen würde.

Sie stürzte in einen steil abfallenden Gang. Haltlos schlitterte sie hinab; dann verschwand der Boden.

Sie fiel in einen unterirdischen Fluß, der sie mit sich riß.

Irgendwie schaffte sie es, über Wasser zu bleiben,bis sich die Strömung verlangsamte und sie vor sich Licht erblickte.

Der Fluß beendete seinen unterirdischen Lauf,trat zu Tage, und geblendet schloß Dantana die Augen. Instinktiv strampelte sie mit den Beinen, und mit etwas Glück gelang es ihr, ein Ufer zu erreichen.wo sie sich mühsam hochzog.

Erschöpft blieb sie liegen.Kaum konnte sie glauben, die Höhlenwelt verlassen zu haben.

Auf der Suche nach einem Ausgang war sie tagelang durch die Höhlenwelt geirrt und hatte völlig die Orientierung verloren.

Nun wußte sie weder, wo sie sich befand,noch was sie tun sollte.

Nachdem ihre Lehrherrin Zounda ihr befohlen hatte, ihren Bogen zu verbrennen,um sich vollkommen dem Studium der Magie zu widmen,war sie einfach weggegangen,

ohne sich vor Verfolgung oder Strafe zu fürchten.

Genauso gleichgültig war ihr, daß sie den Lehrvertrag brach, der sie siebzehn Jahre lang in eine Art der Leibeigenschaft band.

Seufzend setzte sie sich auf.

Was fing sie mit ihrer Freiheit an?

**

Schrödiger hatte nicht bedacht, daß das Kaninchen sehr wohl wissen würde,

in welchem Zustand es sich befand, auch wenn es der Gnom nicht tat.

Doch das Experiment scheiterte an jemand anderem.

Nicht aus Zufall, sondern Dantana verfolgend, kam Tuscar den Gang entlang.

Zounda hatte ihn beauftragt, das Mädchen lebend zu ihr zurückzubringen, denn ein Jungfrauenopfer war immer schwer zu beschaffen.

Der Elfenkrieger bemerkte die Schnur.

In Erwartung einer erneuten Falle nahm er vorsichtig die Kiste in Augenschein.

Aus dem Inneren drangen seltsame Geräusche.

Neugierig und sicher, jeder Falle entkommen zu können,öffnete er mit dem Schwert die Kiste.

Das schneeweiße Killerkaninchen sprang heraus.

Es schnupperte, drehte sich um und starrte Tuscar an.

Der Krieger fluchte und brachte sein Schwert in Angriffsposition.

Zu spät! Das Tier sprang ihn an.

Er wich aus. Die Nagezähne bohrten sich in seine Schulter.

Tuscar stach mit dem Schwert nach dem Kaninchen.

Die scharfe Klinge schnitt durch das Tier in seine Schulter.

Tuscar fluchte und schüttelte wütend das tote Tier ab.

Dantana würde dafür bezahlen!

Er würde sie finden und zurückbringen, koste es, was es wolle.

to be continued...

C. by Charlotte Engmann

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