55. Verwandte Seelen

von Christel Scheja

Verwandte Seelen

(Die Vierte Ebene: Die Ring-Ebene)

von Christel Scheja

" Wo sollen wir ihn hinlegen, Heilerin Jennike? "

fragte einer der Männer,die den bewußtlosen Fremden vom Strand des Sees in ihre Hütte getragen hatten.

Die Frau deutete auf ein breites Lager.

" Aber das ist doch dein Bett! ", protestierte der Mann.

Jennike schüttelte den Kopf.

" Jetzt sollten wir nicht darüber diskutieren- es ist groß genug für mehrere Menschen und der weichste Platz hier.

Ich muß den Fremden untersuchen und verbinden,und er braucht dringend Wärme.Schau ihn dir doch an! "

Besorgt blickte sie auf den Braunhaarigen hinunter, der ziemlich blaß und erschöpft aussah.

" Wo kommt er eigentlich her? "fragte der aufmerksame Träger, der ihr noch weiter half.

" Ich weiß es nicht. Ich wusch gerade unsere Wäsche - Jhiruns und meine - am See, als ich ein Klatschen hörte. Ich lief einige Schritte,

und dann fand ich ihn.

Mir war, als sei er aus dem Himmel gestürzt. "

Sie lachte leise auf.

" Aber das kann ja wohl nicht sein. "

" Wer weiß. Schau dir einmal seine Ohren an. "

" Die habe ich schon gesehen.

Sie sind spitz, aber ansonsten sieht er ganz menschlich aus. Vielleicht ist er ein Elf..."

Sie lächelte nachdenklich.

" Aus den Herbstländern hinter den Bergen, wie die anderen Fremden, die sich manchmal hierhin verirren,wenn die Ruthym sie nicht aufhalten!

Jedenfalls ist er keiner von ihnen,dazu wirkt er zu fremdartig.

Doch laß uns nicht reden und spekulieren, sondern ihm helfen. "

So geschah es auch.

Jennike, die Heilerin, schiente den Arm und die gebrochenen Rippen,

so gut sie konnte, hüllte den Mann in eine warme Wolldecke und flößte ihm dann ein bitteres Gebräu aus Kräutern ein.

Mehr konnte sie nicht tun; das andere mußte die Natur, sein Körper, bewirken.

Ihr Wissen war begrenzt, aber das größte aller Heiler der Dörfer am See, und sie hatte schon schlimmer Verwundeten geholfen.

Dann erst gönnte sie sich Ruhe.

Der Fremde würde erst einmal ein paar Tage schlafen müssen, um seinem Körper Ruhe zu gönnen.

*

Tyrgan erwachte durch ein helles Kinderlachen.

Er fühlte sich erschöpft, aber sein Geist war klar und leer.

Als er eine Bewegung auf seinem Lager spürte, öffnete er vorsichtig die Augenund sah zuerst nur einen Schemen gegen das Licht,

das durch das Fenster fiel.

Als er die Augen zusammenkniff, konnte er die Person besser erkennen.

Ein kleines Mädchen, vielleicht vier Jahre alt, hockte auf dem riesigen Bett und stützte sich auf die Decken und seinen - nicht steifen - Arm,

doch ihre Berührung war leicht wie die einer Feder.

Das Kind hatte große gelbbraune Augen, die leicht schimmerten, eine winzige Stupsnase und einen kleinen Mund.

Umrahmt wurde das Gesicht von einer wuseligen, lockigen Mähne aus goldbraunen Haaren.

" Ist das Dada? " fragte die Kleine und hob den Kopf.

" Nein, kleine Jhirun, das ist nicht dein Dada, sondern ein Fremder, den ich aus dem See gerettet habe! "

,

erklang eine andere, warme Stimme aus dem Hintergrund, und nun tauchte auch das Gesicht einer erwachsenen Frau auf.

Sie hob das Kind vom Bett und beugte sich dann über ihn.

" Wie geht es Euch... Herr? ", fragte sie dann.

" Herr...", murmelte Tyrgan.

Dieser Titel kam ihm seltsam vor, und er mochte ihn nicht so recht.

" Ich bin Tyrgan.."

"Herr Tyrgan..."

" Ich bin kein Herr! " unterbrach er sie und blickte auf die Frau.

" Wie kam ich hierher? "

" Ich habe Euch am Ufer des Sees gefunden.Ihr wart dort schwer verletzt angetrieben.Seid Ihr verunglückt? Aus einem Boot gefallen? "fragte sie besorgt.

Tyrgan forschte in seinem Geist nach der Ursache.

Doch sein Kopf war leer. So sehr er auch versuchte, nach der Ursache für seinen Zustand zu forschen- er fand nichts in seinem Kopf außer einer großen, dumpfen Leere.

Sein Gesicht mußte das wohl verraten haben, denn die Frau schüttelte den Kopf. " Ihr habt Euer Gedächtnis verloren, Tyrgan. Das kann manchmal vorkommen.

Grabt nicht in Eurem Geist weiter- es könnte weh tun und alles schlimmer machen.

Erholt Euch - mit Eurer Genesung kommt auch die Erinnerung wieder.."

"ie lächelte und setzte einen kühlen Tonbecher an seine Lippen.

" Trinkt das, es wird Euch guttun. Ich bin Heilerin. "

Tyrgan gehorchte und schluckte den bitteren Kräutersud.

Die ganze Zeit beobachtete ihn mit großen Augen das kleine Mädchen,das schon wieder Spielzeug, eine Puppe und einen Vogel aus Stoff, in den Händen hielt.

" Warum ist das nicht Dada?! ", fragte sie gerade, als Tyrgan so müde war, daß er einschlief.

Zu gern hätte er die Antwort der schwarzhaarigen Heilerin gehört, aber da versank er schon in der Dunkelheit.

**

In der folgenden Zeit heilten seine gebrochenen Knochen und die inneren Verletzungen.

Tyrgan erfuhr, daß er im Haus der Heilerin Jennike lebte, die in einem der acht Dörfer wohnte,die es rund um den See gab.

Ihre Siedlung hieß Aridan und bestand aus vierzig Hütten und ungefähr dreihundert Bewohnern,

die sich überwiegend vom Ertrag ihrer kleinen Felder und vom Fischfang ernährten.

Die Berge ringsherum - die Ausläufer eines riesigen Massives, das auch Himinin genannt wurde - schützten das breite Tal vor den Winden, aber auch vor dem Regen,

so daß die Felder durch den See und die nie versiegenden Bäche und Flüsse bewässert werden mußten.

Jennike war die Heilkundige und Hebamme des Dorfes und hatte immer wieder etwas zu tun - sei es nun, einen unvorsichtigen Fischer zusammenzuflicken oder einem Kind auf die Welt zu helfen. Ihr eigenes, Jhirun, war für seine vier Jahre schon recht klug und quirlig, was auch Tyrgan merkte, als er sich um sie kümmerte, wenn die Mutter nicht da war.

Die Kleine war ebenfalls von einem Fremden gezeugt worden,einem seltsamen Reiter, der nur einen Tag und eine Nacht bei der Heilerin geblieben war.

Aber nicht, daß sie deswegen in Ungnade gefallen wäre.

Tyrgan hörte, daß sich in den acht Dörfern die Frauen ihre Lebensgefährten wählten und um das Einverständnis der jungen Männer buhlten -nicht umgekehrt, wie er es gewohnt zu sein schien.

Gefährtenschaften gab es auch, aber sie banden nicht für ein Leben.

Die Partner konnten sich jederzeit trennen, und es bestand die Sitte, nach vier Jahren einen neuen Mann zu wählen.

So trugen Männer wie Frauen - denn es war nicht immer sicher, wer der Vater war - mit Stolz den Namen der Mutter.

Jhirun etwa wurde auch Jhirun es Jennike genannt,.Tochter der Jennike..Das Talvolk war friedlich.

Kaum einer konnte kämpfen, da die acht Dörfer seit vielen Jahrzehnten nicht mehr angegriffen worden waren.

" Die Berge schützen uns. ", hatte Jennike ihm erklärt.

" Unser Tal ist von hohen Gipfeln umschlossen. Dort leben die Ruthym, die Wer-Herren., und solange sie uns nicht überfallen, sind wir sicher wie im Schoß unserer Göttin.."

Doch ihre Stimme hatte dabei gezittert, als verberge sie einen Teil der Wahrheit.

Neugierig, wie er war, hatte Tyrgan auch etwas über die Ruthym zu erfahren versucht, aber da hatte Jennike den Kopf geschüttelt.

" Niemand weiß viel von ihnen - nicht einmal, wie sie aussehen,denn wenn sich einmal jemand in unser Tal verirrt, dann trägt er eine alles verhüllende Rüstung,

dazu einen Helm aus Leder und einen Umhang.

Aber ihre Pferde sind merkwürdig - zottelig und Raubtieren ähnlicher als unseren Kleppern.

Sie kamen vor vielen Jahren aus dem Norden."

***

Mehr als mit Jennike hatte Tyrgan mit Jhirun zu tun.

Die Kleine beschloß schon nach ein paar Tagen, ihn als " Dada " zu adoptieren, und kümmerte sich rührend um ihm.

Sie fütterte Tyrgan (auch wenn sie einiges über die Decken goß),erzählte ihm Geschichten in kindlich-kluger Art,machte kleine Kunststücke und lachte mit ihm.

Nachts schlief sie neben ihm in dem großen Bett und kuschelte sich manchmal an ihn, als sei sie wirklich seine Tochter, die Schutz und Trost suchte.

Aber selbst wenn sie einmal weinte, war ihr Gesicht nicht traurig- Jhirun blieb ein sonniges, fröhliches Kind.

Tyrgan genoß ihre Anwesenheit mehr, als er zuerst vermutet hatte; die Kleine hatte sein Herz im Sturm erobert, und irgendwie hatte er das Gefühl, daß sie... mit ihm seelenverwandt war.

Als Tyrgan endlich aufstehen konnte, spielte er mit Jhirun,ließ das Kind auf seinen Knien schaukeln und erzählte ihm seinerseits Geschichten.

Er half im Haus und kochte Essen; er entdeckte, daß er großes Geschick zum Nähen hatte, und besserte die Gewänder seiner Retterin und des Kindes aus,

nähte ihnen später auch neue,um wenigstens etwas Sinnvolles zu tun.

Er wunderte sich wie die Heilerin, daß er seine Fähigkeiten nicht vergessen hatte - sich aber an seine Vergangenheit nicht erinnern konnte.

Jennike hatte eine Vermutung, aber die hielt er selbst für unsinnig:

" Könnte es nicht so sein, daß du deine Vergangenheit vergessen wolltest? Manchmal können Wesen das...."

Sie benutzte ungern das Wort " Menschen " in seiner Gegenwart.

Zumindest waren seine Ohren anders als die der Dorfbewohner.

Doch die wenigsten erschreckte oder störte das.

Sie schienen Wesen seiner Art - Elfen? - zu kennen, und wenn auch nur aus alten Legenden:

" Vor vielen Jahren verschlug es unsere Vorfahren von den Ufern der salzigen Blaewina, auf der Flucht vor einem dämonischen Magier und seine Kreaturen -

möge er auf die Winterinsel verdammt sein!- in dieses Tal.

Unter den Führern, die uns sicher durch die Himdranas- Schluchten geleiteten,war Marlianie, eine deiner Rasse - eine Elfe.

Schau dir die Statue an.

Du bist vielleicht kleiner als sie, aber vielleicht ist das in deinem Volk so...."

****

Die Dorfbewohner nahmen ihn nach geringer anfänglicher Scheu freundlich in ihrer Mitte auf und boten ihm an,

einer der ihren zu werden, wenn er es wollte.

Tyrgan überlegte nicht lange - er stimmte ihnen zu, denn er hätte sonst nicht gewußt, wohin er hätte gehen sollen.

Jahre zogen ins Land, die wechselhaft für die Bewohner der Dörfer waren.

In einem tobten trotz allen Schutzes Stürme über das Tal und zerstörten die Felder kurz vor der Ernte;

in einem anderen Jahr blieben die Fischschwärme aus den Bergen aus.

Tyrgan fuhr mit den jungen Fischern auf den See und nähte Gewänder.

Er lebte weiterhin im Haus der Heilerin, die nicht abgeneigt war, mit ihm das Bett zu teilen und sich mit ihm zu lieben.

Sie war nicht einmal eifersüchtig auf die jungen Mädchen des Dorfes, die, sobald sie herausgefunden hatten,was für ein guter Liebhaber er war, ebenfalls mit ihm tändelten

und .seine seltsamen Ohren besser kennenlernen wollten..

Hin und wieder gab es Streit mit eifersüchtigen Jünglingen und Männern,die ihn als lästigen Nebenbuhler sahen; aber der ansonsten so fröhliche und lebenslustige Tyrgan zeigte auch eine andere, kämpferische und wilde Seite.

Die kleine Jhirun wurde größer und schlanker, blieb dabei aber so verspielt, wie sie immer gewesen war.

Noch immer brachte sie Tyrgan dazu, mit ihr zu spielen.

Sie tobte mit ihm am Strand herum, schwamm und sammelte Muscheln oder schöne Steine - und ab und zu fingen sie auch in einem der zufließenden Bäche

Fische für das Abendessen.

Tyrgan nannte das schlaksige Mädchen auch " Küken ",weil es mit seinem schmalen Körper wie ein Vogel ohne Schwingen aussah, und er fühlte sich nun ganz wie ihr Vater.

Das Kind war ihm ans Herz gewachsen.

Doch er mußte sie ausschimpfen, wenn sie allzu leichtfertig in den Klippen herumkletterteoder auf einem rutschigen Felsen balancierte,

denn das war ihm doch zu unheimlich; er tröstete sie, wenn sie sich durch Stürze weh getan hatte oder krank war, und unterrichtete sie in Dingen, die ihm irgendwie einfielen

.

Jhirun hatte nur eine Eigenart, die ihn immer wieder verwirrte - sie träumte davon, fliegen zu können,und baute mit den anderen Kindern Gestelle aus Holz und Stoff

- die natürlich zu schwer waren, um auf der Luft treiben zu können.

Bei einem solchen Flugversuch brach sie sich einmal das Bein.

Und doch wußte sie es besser:

" .Glaub mir, Dada, eines Tages werde ich fliegen können! Das weiß ich genau! "

Jennike hatte über diese trotzigen Worte gelacht, aber Tyrgan war ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen.

Er fühlte mit Jhirun.

Aber alles in allem war die Zeit ruhig und friedlich, und Tyrgan gefiel das Leben mit den Freunden, die ihn so akzeptierten und mochten, wie er war- auch ohne Vergangenheit.

Nur ihn selber beschäftigte diese Frage oft genug.

Vielleicht schwiegen die Dorfbewohner absichtlich- vielleicht wußten sie mehr.

Denn sie redeten ungern über die geheimnisvollen Bewohner der Berge, die Wer-Herren, wenn er in der Nähe war.

*****

Ehe er sich versah, waren dreizehn Jahre vergangen.

An Jennike und Jhirun war die Zeit nicht spurlos vorübergegangen.

Im Gesicht der Heilerin zeigten sich tiefere Falten als früher, und ihre schwarze Lockenmähne wurde von ersten grauen Strähnen durchzogen.

Jhirun aber war zu einem hübschen jungen Mädchen herangereift,das Tyrgan mittlerweile nicht mehr ganz mit väterlichen Augen betrachten konnte.

Sie war groß - sie überragte ihn um einen halben Kopf - und schlank, mit schön geschwungenen Gliedern und einem kleinen festen Busen.

Die Augen waren groß geblieben und hatten ihren Schimmer behalten;das Haar floß wie eine Goldmähne um ihren Kopf.

Jhiruns Haut war samtbraun.

Sie bewegte sich anmutig, grazil und schnell, wie eine Wassernymphe aus den Geschichten der Bauern, und war noch immer von sonnigem Gemüt.

Nichts konnte sie verbittern;vielleicht, weil ihr so viel gelang:

Bei den Spielen im Herbst hatte sie Ältere im Laufen und Springen besiegt; wann immer es um Geschick und Schnelligkeit ging, übertraf sie die anderen im Dorf...

Nun stürmte sie wieder lachend auf Tyrgan zu und schmiegte sich an ihn,barg den Kopf an seiner Schulter, obgleich sie ein Stück größer war als er.

" Ach Dada, Dada, ich bin so glücklich! " lachte sie und tanzte wieder von ihm fort.

" .Schau mal, was ich entdeckt habe.."

Tyrgan nickte verwirrt.

Er legte das Hemd nieder, an dem er genäht hatte, und beobachtete Jhirun- sicherlich hatte sie wieder einen Trick gelernt,

den sie ihm nun in ihrem Übereifer zeigen wollte.

Er spürte noch immer ihre leichte Berührung auf seiner Haut, dann jedoch wich dieses Gefühl einem kalten Schauder.

Jhirun fiel auf die Knie und war plötzlich von einem goldenen, warmen Leuchten umgeben.

Sie schien zu schrumpfen... ihre Gestalt zerfloß...dann rieb er sich verwirrt die Augen,denn auf der Wiese vor ihm saß ein junger Falke mit braunem Gefieder,

der verwirrt krächzte und wie wild mit den Flügeln schlug.

Dann versuchte der Vogel zu fliegen, schaffte es abzuheben, stürzte aber nach nur wenigen Flügelschlägen hinter einem Abhang ab.

Tyrgan schlug das Herz bis zum Hals.

Einen Augenblick glaubte er, durch ihre Augen zu sehen, ihre Angst und ihre Verwunderung zu spüren;dann sprang er auf, stürzte hinter Jhirun her

und fand sie schließlich - wieder in menschlicher Gestalt- am Fuß des Abhangs auf der Wiese liegend.

Er beugte sich über sie undstellte mit Erleichterung fest, daß das Mädchen noch lebte und nur bewußtlos war.

Vorsichtig hob er sie auf und trug sie in die Hütte ihrer Mutter.

Jennike war noch nicht von ihrem letzten Krankenbesuch zurückge- kehrt, so daß er sich allein um sie kümmern mußte.

" Was hast du nur getan, Kind? " fragte er laut.

Die Antwort bildete sich in seinem Kopf.

" Haben mich die Bewohner des Dorfes belogen?Sind sie selber die Ruthym, oder zumindest einige von ihnen?Warum beherrscht Jhirun diese Fähigkeit...und warum glaube ich zu wissen,

daß ich mich gleichfalls verwandeln kann? "

Der letzte Gedanke ließ ihn zusammenzucken.

" Ich bin aus dem Himmel gefallen , schwätzte Mita, als wir einmal bei einander lagen... Bin ich einer von ihnen? ", grübelte er noch, als Jennike eintrat.

Die Heilerin wurde bleich, als sie Jhirun sah und er ihr von dem Geschehen erzählte.

Sie untersuchte flugs ihre leichtsinnige Tochter, atmete erleichtert auf und ließ die Angst aus ihren Zügen weichen, als sie feststellte, daß das Mädchen außer ein paar Beulen und Prellungen keine Verletzungen davongetragen hatte.

Dann setzte sie sich hin und begann zu weinen.

Tyrgan war verwirrt und legte seine Arme um sie, wie er es schon oft getan hatte, und plötzlich enthüllte ihm die Heilerin, was sie all die Jahre zurückgehalten, verschwiegen hatte.

******

" Jhiruns Vater ist kein unbekannter Fremder. Er ist einer der Wer-Herren, die in den Bergen leben, einer der mächtigen Lords, die das Rhim-Blut besitzen - das ihnen die Macht über ihre eigene Gestalt und das Wesen der Tiere verleiht.

Ich verband eine seiner Wunden,und es blieb nicht bei dieser einzigen Begegnung.

Er kam mehrere Male und liebte mich- bei der Göttin, ich war nicht abgeneigt, mich ihm hinzugeben, auch wenn er es die ersten Male erzwang,

denn unsere Vereinigung war so leidenschaftlich und wild,daß ich sie genoß.

Niemand von den anderen sah ihn, weil er die Gestalt eines Falken angenommen hatte

Sein Samen trug in mir Frucht.

Und jetzt... und jetzt ist sie wie er.

Ich habe Angst, daß er eines Tages zurückkommen könnteund meine Tochter fordern würde, weil sie sein Blut ist - Rhim.

Doch ich habe auch Angst um sie.

Die Wer-Herren, die Tier-Lords sind so stolz und so arrogant, daß Jhirun sicherlich unter ihnen leiden wird- wegen mir, weil ich nur eine Menschenfrau war.

Ich hatte so gehofft, daß sie nichts geerbt hätte - aber nun, nun ist es zu spät. Vielleicht hat er es gesehen, hat es geahnt.

Siebzehn Jahre gehörte sie mir, und nun... nun...."

Tyrgan hielt sie nur fest. Er wußte nicht, was er sagen sollte,aber sein Blick schweifte immer wieder zu dem ruhig schlafenden Mädchen hin.

Irgendwie verstand er jetzt die merkwürdige Vertrautheit,die er immer zu Jennikes Tochter gehabt hatte,auch wenn er den Grund nicht benennen konnte.

Sie war...

Wichtiger aber erschien ihm, was Jennike über die Wer- Herren gesagt hatte.

" Ich... ich helfe dir., sagte er leise.

" Egal, was kommt. Doch du mußt mir jetzt die Wahrheit sagen!

Berichte mir alles, was du über die Ruthym weißt, und beantworte mir eine Frage:

Bin ich einer von ihnen? "

Seine Stimme klang drängend

Schließlich galt es immer noch, die Schuld zu bezahlen,die er Jennike gegenüber durch die Rettung hatte,auch wenn sie niemals darauf beharrt hatte.

Und er wollte Jhirun beschützen, seine Tochter!

Jennike blieb eine Weile schweigend neben Tyrgan sitzen.

Sie hatte ihre dunklen Augen gesenkt, und das Haar hing ihr ein wenig ins Gesicht.

" Ich versuche mich zu erinnern. ", murmelte sie nach einer Weile und seufzte,während Tyrgan Jhirun über das Haar streichelte.

Jetzt erst fiel ihm auf, wie fedrig es geworden war.

" Erzähl mir so viel, wie du weißt.Vielleicht hilft es uns, hilft es mir weiter. Bisher kenne ich ja nur die wenigen Erzählungen....", sagte er und rief sich das wenige, was er von den Mädchen wußte,

mit denen er das Lager geteilt hatte, ins Gedächtnis.

*******

Die Wer-Herren lebten irgendwo in den Bergen, die sich am Horizont abzeichneten, und sie sollten sehr mächtig sein.

Die Bewohner des Tales glaubten das zumindest, weil sie seit langer Zeit nicht mehr von anderen angegriffen worden waren, aber sie hatten keine Beweise.

Die Tier- Lords. sollten Gestaltwandler sein,aber sie zeigten sich hier nur unter Umhängen und Hüten verborgen, so daß man nicht einmal ihr Geschlecht erkennen konnte;

und ihre Pferde schienen Fleischfresser zu sein.Dorfbewohner, die offensichtlich mehr von ihnen gesehen hatten, waren getötet worden...

So war wenig über ihre Gesellschaft bekanntgeworden.

Er schreckte hoch und legte Jennike eine Hand auf den Arm.

" Wie siehst es aus, bist du dazu bereit? "

"Ja., sagte sie langsam.

"Ich glaube, ich beginne mit dem Anfang:

Es war eine schreckliche, stürmische Nacht,in der wir uns alle in unseren Hütten verbarrikadierten.

Auch ich hatte alles verriegelt und verrammelt.

Ich lebte damals allein in der Hütte.

edenfalls hatte ich Angst vor den Blitzen und dem Donner- und noch mehr, als etwas gegen meine Tür schlug.

Erst als ich eine menschliche Stimme hörte, wagte ich zu öffnen -und zog einen blutüberströmten, schmutzigen Mann in meine Hütte.

Ich verarztete ihn, wusch seine Wunden aus, schiente seinen Arm und reinigte sein Gesicht- schon da hatte ich das Gefühl, daß er keiner von uns sein konnte.

Er war ohne Bewußtsein.

Als er dann zu sich kam, fühlte ich mich plötzlich von seinen Augen gebannt.

Sie waren gelb und durchdringend - sie leuchteten wie die eines Tieres.

Ich wußte selbst nicht, was geschah,aber ich mußte ihn genauer ansehen.

Er sprach kein Wort und wandte sich wieder ab,so daß ich mich schließlich zum Schlafen hinlegte.

Als ich am Morgen erwachte,war er verschwunden und hatte die Armschiene und seine Verbände zurückgelassen.

Aber er kam wieder.

Nur zwei Tage später flog ein Falke in meine Kücheund verwandelte sich,als ich ihn hinausscheuchen wollte, in den Mann zurück, dem ich geholfen hatte.

Und nun begriff ich, wer er war.

Er war einer der Wer-Herren, der Gestaltwandler.

Ich bekam Angst, denn wenn er es wie die anderen Besucher unseres Tales hielt, würde er mich jetzt töten.

Er beobachtete mich eine Weile und weidete sich an meiner Furcht,und dann zog er mich plötzlich an sich.

` Ich will dich für deine Hilfe beschenken! ´ sagte er plötzlich mit rauher Stimme.

Ich versuchte mich loszureißen,suchte nach seinen Wunden, die verschwunden waren - aber er war kräftiger als ich dachte - seine Hände waren wie Klauen.

` Ich will dich an meinem Blut teilhaben lassen! ´ zischte er dann.

Kurzum - unsere erste Vereinigung war eine Vergewaltigung.

Dann ließ er mich zurück.

Ich war verzweifelt - aber er kam wieder und wieder.

Ich versuchte ihn zu hassen,aber ich vermochte es nicht; irgendwann- als er mich endlich an seinen Geheimnissen teilhaben ließ -gewann ich Vertrauen zu ihm.

Er erzählte mir von den Festungen- den .Horsten. und .Höhlen, in denen sie lebten- befestigten Siedlungen, die auf oder in den Bergen liegen.

Die Rhim.yetora, so nennen sie sich selbst, ließen sich dort nieder,nachdem sie aus ihrer Urheimat geflohen waren.

Wann und wie die Wer- Herren allerdings in das hiesige Gebirge gekommen waren und wo ihre Urheimat wirklich liegt,

das weiß niemand hier.

Das ist kaum zu glauben, nicht wahr?

Sie kamen mit ihren Pferden oder Chemuns, die Raubtiere sind. Sie sind in zwölf Clans unterteilt,von denen drei dem Ruf des Windes, sieben dem der Erde und

zwei dem des Wassers folgen.

Angeblich könnten sie sich in jedes Tier verwandeln,zögen jedoch eines vor, das ihrer Natur entspricht.

Aber es sind alles Raubtiere, denn die Rhim waren schon immer Jäger und Krieger.

Ich weiß noch, wie verächtlich er von uns Menschen sprach,und sein Geschenk war ein Kind mit seinem Blut, denn das Rhim-Blut sei stark und mächtig...

und wir hätten es ihrer Gnade zu verdanken, daß sie uns nicht versklavten.... "

Jennike holte tief Luft.

" Es gäbe ein langes Leben, wenn das Kind einmal ausgereift sei - selbst ein Halbblut wie Jhirun würde Generationen überleben;

es heilt Wunden sehr schnell, es verleiht besondere Gaben... und ich glaube, sie können auch die Tiere verstehen, wenn sie es lernen.

Ich vermute das, denn Jhirun hat ja keine Ahnung von all dem, ihr Vater aber vermochte meine Katze zu verstehen.

Und dann sagte er mir - daß er meine Tochter vielleicht zu sich holen und anerkennen würde,wenn sie sich seinem Blute würdig erweise, wenn es stark in ihr wäre.

Vielleicht meinte er die Verwandlung damit.

Sie würde es bei ihm besser haben, viel besser als bei mir - aber er tat sehr geheimnisvoll und lachte nur, wenn ich danach fragte.

Und ja - er hatte etwas Nichtmenschliches an sich.

Seine Augen, vor allem seine Augen verrieten ihn...."

Jennike beugte sich vor und sah Tyrgan an.

Dann schüttelte sie den Kopf.

" Da war dieser Glanz in seinem Blick.Ja, und seine Haare erinnerten mich immer an Federn.Sonst weiß ich nicht mehr viel von ihm... es ist so lange her...."

Tyrgan nickte bedächtig.

" Das ist jedenfalls mehr, als ich bisher wußte.", meinte er dann.

" Und was ist mit meiner Frage? " drängte er die Heilerin.

Jennike biß sich auf die Lippen.

" Das ist schwer zu sagen. "

Sie atmete tief ein und aus.

" Doch eines weiß ich mit Gewißheit, du bist keiner von ihnen! Deine Augen glänzen nicht so, und da ist noch...

Ich kann es dir nicht genau erklären... Ich weiß es. Ich fühle es! "

Tyrgan gefiel diese Antwort nicht,da sie ihn nicht weiterbrachte, aber er mußte sich damit zufriedengeben.

Seufzend legte er Jennike eine Hand auf die Schulter.Die Heilerin umfaßte diese:

" Wünscht du dir etwa, einer von ihnen zu sein? " fragte sie dann ernst.

" Vielleicht? " grübelte Tyrgan.

" Dann wäre ich mir meiner Herkunft wenigstens sicher" , murmelte er.

" .Auf der anderen Seite erscheint es mir nicht begehrenswert, einer der Lords zu sein. "

Er grinste schief und wurde dann wieder ernst.

" Aber wenn sie versuchen sollt en, Jhirun oder dir etwas anzutun,werde ich zur Stelle sein.."

********

Jhirun erholte sich rasch von der Verwandlung und drängte darauf,es wieder zu versuchen.

Tyrgan und Jennike verboten es ihr mit scharfen Worten; aber wann hat jemals ein Kind auf seine Eltern gehört?

Sie achteten auf das Mädchen, aber dann kam der Tag, an dem eine der Freundinnen Jhiruns herbeieilte und heftig atmend erzählte:

" Jhirun ist in die Felder gelaufen, als wir sie ärgerten. Du weißt, daß keiner von uns sie einholen kann.Ich weiß auch nicht wieso, aber sie sah so entrückt aus, als Kyno sie neckte,

und murmelte etwas von...- sie würde ihm beweisen, daß ihr Traum Wirklichkeit geworden sei,

und daß sie fliegen würde! Ich hab. das nicht verstanden! Ist sie verrückt geworden? "

Tyrgan und Jennike verstanden sehr wohl und sahen sich bedeutungsschwer an.

Beide hatten das Gefühl, sie jetzt suchen und finden zu müssen.

" Wo ist sie hin? "

Das Mädchen deutete in Richtung der weißen Gipfel und japste erschreckt, als die Eltern ihrer Freundin losrannten, so schnell sie konnten... Die beiden wußten, daß ihre Tochter es wieder versuchen würde, und wollten verhindern, daß sie eine neue Dummheit machte.

Tyrgan war der Heilerin bald weit voraus, doch er konnte und wollte nicht auf sie warten.

Der Staub unter seinen Füßen wirbelte auf; dann trat er das Getreide nieder.

Weit vor sich sah er Jhirun. Das Mädchen hatte sich auf einer kleinen Erhebung hingekauert; seine Gestalt begann schon zu verwaschen und zu wabern.

" Nein! "

Tyrgan brüllte, so laut er konnte.

" Laß das sein! Laß das sein, Küken! Du wirst dir noch einen Flügel oder schlimmeres brechen! "

Sie war wie ein unerfahrener Nestling, kaum flügge geworden.

Sie brauchte Anleitung - und wer wußte schon, ob die Anwendung ihrer Gabe nicht den leiblichen Vater anlockte.

Tyrgans Füße berührten kaum den Boden.

Er merkte nicht, wie er die Arme ausstreckte und hochsprang.

Erst als er sich vom Boden erhob, die langen Hinterbeine noch immer im Schwung gestreckt, spürte er die Verwandlung.

Eine neue, ungeahnte Kraft flutete durch seinen Körper, und er wußte plötzlich wieder, wer und was er war!

*********

Jennike brach auf dem Feldweg zusammen.

Sie hatte keine Kraft mehr.

Weinend kauerte sie sich zusammen und starrte Tyrgan nach, der im schnellen Lauf das Feld durchkämmte.

" Hoffentlich kannst wenigstens du sie in ihrem Tun aufhalten! " schluchzte sie.

Dann aber stockte ihr der Atem.

Tyrgan sprang hoch - und im gleichen Augenblick veränderte sich sei-ne Gestalt.

An seiner Statt - erhob sich nun ein riesiger Adler aus dem Getreide - nein, es war nicht einmal ein Adler!

Braune Schwingen wirbelten Staub auf, Dunst, der so braun wie das Fell des Hinterteils dieses Zwittergeschöpfes war.

Krallenbewehrte Hinterläufe und ein langer Schwanz verrieten Verwandtschaft mit Raubtieren, die in den Legenden der Wüstengebiete dieser Ebene erwähnt wurden.

Vielleicht stammte er aus einem dieser Gebiete?

Vielleicht war Tyrgan ein uralter und mächtiger Geist,den es auf die andere Hälfte der Ebene verschlagen hatte.

Jennike wagte gar nicht daran zu denken, daß sie ihn in ihrem Haus beherbergt hatte.

" Die Göttin möge uns beschützen! ", stammelte Jennike und legte eine Hand auf ihr Herz.

Ihre Augen brannten.

Jetzt tat sie Tyrgan Unrecht.

Er war nicht böse.

Er hatte sie all die Jahre beschützt und behütet -und Jhirun aufgezogen.

Sie hatte ihn geliebt, ihm vertraut- und jetzt fürchtete sie ihn, nur weil er seine wahre Gestalt zeigte?

Sie beobachtete mit zitterndem Körper,wie das Geschöpf den Hügel umkreiste, von dem ein kleiner Falke aufstieg, taumelnd und ungeschickt in die Höhe schoß

und der Sonne entgegenflatterte.

Eine Berührung schreckte sie auf.

Dorfbewohner waren herbeigeeilt,um das Schauspiel zu beobachten.

Einer half ihr auf die Beine.

" Göttin, wer oder was ist das? " stammelte ihr Helfer.

Kaum einer bemerkte den kleinen Falken.

Jennike schmiegte sich zitternd an den Mann.

" Keiner der Wer-Herren, glaubt mir! " rief sie den anderen zu, als erste furchtsame Rufe laut wurden.

" Ihr werdet sehen. Er ist gut. Er ist unser Freund! "

Dann starrte sie weiter auf das Schauspiel.

" Ich habe so etwas schon einmal gesehen! ", rief eine Frau namens Tamira dazwischen.

" Auf meinen Reisen erzählten mir die, bei denen ich nächtigte, davon.

Bei der Drachenkaiserin von Chainiz, das ist eines der unsterblichen Wesen - ein Greif! "

Gemurmel entstand unter den Dorfbewohnern.

Tamira war eine der wenigen Frauen, die das Tal der Acht Dörfer in jungen Jahren verlassen hatten, weil sie das Abenteuer geliebt hatten und

sich den Mann ihrer Träume erobern wollten.

Unsterblich oder nicht, Jennike hatte nur Augen für Tyrgan und hoffte, daß er ihrer Tochter nichts antat.

Vor dem großen Leib des Greifen war der kleine Falke kaum zu erkennen,aber die Heilerin konnte sehen, daß Tyrgan das kleinere Wesen sanft und behutsam anstupste und es anleitete,

ehe eine der großen Krallen vorstieß und den Falken wie in einem Käfig einfing. Dann landete er, das eine Bein noch immer erhoben.

Jennike löste sich von der Menge und lief auf ihn zu; sie blieb vor dem Greifen stehen.

Ihr Herz pochte wie wild, als sie die Arme ausstreckte und Tyrgan berührte.

Nur an seinen Augen konnte sie erkennen, daß er es war und daß sich nichts verändert hatte...

In seiner Kralle zappelte der Falke und krächzte protestierend.

Ohne es zu bemerken, lächelte die Heilerin.

" Sie ist immer noch trotzig und will nicht aufgeben, Tyrgan..."

Dann strich sie über die Federn und Ohren des Adlerkopfes und seufzte.

" Die anderen haben uns gesehen. Du wirst auch ihnen alles erzählen müssen...."

**********

Die Flammen des Lagerfeuers malten flackernde Schatten auf Tyrgans Gesicht und Arme,als er vor der einzigen Lichtquelle außer den Monden stand

und die Männer, Frauen und Kinder musterte, die ihm aufmerksam gelauscht hatten.

" Nun wißt ihr es. Ich bin einer der Unsterblichen von Alyindiz,die ihr auch die .Herbstinsel nennt und in deren zerklüfteten Bergen und grünen Tälern die Unsterblichen leben.

Die Zeit ist für uns nebensächlich.

Vor Äonen zogen sich die, die genug davon hatten, von Jägern wie Tiere gejagt zu werden,hierhin zurück.

Aber glaubt mir, das Leben in- mitten dieser idyllischen Berge und Wälder kann langweilig sein.

Irgend- wann kannte ich alle Farben, mit denen die Phönixherrin die Blätter der Bäume färbte,alle Spiele und Aufgaben, mit denen wir uns zu beschäftigten pflegten- langweilige Zauber.

Und so verabschiedete ich mich schließlich von dem Drachenkönig und der Phönixkönigin,die über uns alle wachten und an deren Hof ich gelebt hatte.

Ich machte mich auf die Reise, die Ring-Ebene in der Gestalt eines Menschen oder Elfen zu erforschen und mich nur zu verwandeln, wenn ich Lust dazu hatte.

Das war der einzige Zauber, den wir in den Jahrtausenden auf der Herbstinsel erfanden.

Doch in dem großen Gebirge dort drüben, im Himinin, habe ich wohl einen Eiswurm zu sehr geärgert, und

er hat mich mit seinem kalten Atem so schwer getroffen, daß ich bis in dieses liebliche Tal abgedriftet bin.

Den Rest der Geschichte kennt ihr ja: Ich stürzte in den See und wurde zu Tyrgan.

Das ist auch mein Name, und er bedeutet in unserer Sprache: ` Ruheloser Jäger!´´ Nun... ich bin kein Ruthym, kein Wer-Herr.

Ich habe jetzt mein Gedächtnis vollständig wiedererlangt und werde wieder das sein, was ich einmal war.."

Er suchte Jennike und Jhirun in der Menge.

Die Heilerin saß hinter ihrer Tochter und hatte die Arme um diese gelegt, als wolle sie aufpassen,daß sie nicht noch einmal davonflöge.

Das Mädchen hatte sich diesmal leichter zurückverwandelt und von den Strapazen erholt. Und es fieberte danach, sich wieder zu verwandeln, und wieder...

Tyrgan seufzte innerlich.

Er hatte ihr Prügel angedroht, falls sie es noch einmal ohne seine Aufsicht wagen sollte!

Sie erinnerte ihn an seine eigenen, ungestümen Küken, die er im Drachengebirge seiner Heimat aufgezogen hatte.

Diese würde er niemals wiedersehen.- Sohn und Tochter.

Das gleiche wilde Blut wie in seinem Nachwuchs pochte auch in ihr.

Niemals würde er den Sterblichen erzählen, daß er eigentlich von der Herbstinsel vertrieben worden war- weil er trotz einer eigenen Gefährtin

die Phönixkönigin begehrt und geliebt hatte- und vor der Wut des Drachenkönigs geflohen war.

" Und wirst du fortgehen? ", fragte eine der Frauen, die ihn geliebt hatten.

Er sah diese an und lächelte.

" Nein! Ich habe alle Zeit der Welt, warum sollte ich dann nicht noch bei euch bleiben?

Schließlich ist meine Tochter noch nicht erwachsen... und...", er zwinkerte den Mädchen zu,

"... ich habe vielen von euch noch versprochen, Gewänder für das Herbstfest zu nähen! "

Die Dorfbewohner murmelten sich etwas zu. Er hätte es verstehen können, verzichtete aber darauf.

Das, was er dachte, sprach er nicht aus.

" Und ich fürchte, ich muß bleiben, um euch zu beschützen, denn unser Tun ist nicht unbeobachtet geblieben.. "

Der Wind aus den Bergen trug einen bitteren, fauligen Geruch heran,den nur er wahrnahm, vielleicht auch noch Jhirun, die sich unruhig in den Armen ihrer Mutter bewegte.

Tyrgan ballte eine Hand zur Faust und spürte, wie die Nägel seiner Finger in sein Fleisch schnitten.

Dann entspannte er sich wieder und gesellte sich zu Jhirun und Jennike.

Seiner Familie...

© Kris 9/95

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