56. Die Oase

von Winfried Brand

Die Oase

(Die Vierte Ebene:Die Ring-Ebene)

von Winfried Brand

Seit einigen Stunden irrte sie bereits durch die Dünen der Sti-Ayate, ohnedaß sie auch nur wußte, was sie in dieser Wüste eigentlich verloren hatte.

Ihre einzige Erinnerung bestand aus zwei Worten, "Auftrag" und "Pharaonin".

Wenn sie doch nur wüßte, was damit gemeint war, aber siekannte noch nicht einmal mehr ihren Namen.

Ein wenig Wasser täte ihr jetzt gut, aber leider hatte sie keines bei sich, genausowenig wie andere Ausrüstung.

Wenigstens würde es bald dunkel werden.

Die Hitze des Tages würde der Kühle der Nacht weichen und ihr so ein wenig Linderung bringen.

Doch sie ahnte, daß der kommende Tag ihr Ende bedeutete, wenn sie nicht bald Wasser finden würde.

Nicht nur, daß sie immer schwächer wurde, auch war der nächste Tag um einige Stunden länger als der heutige.

Sie wußte sehr genau, daß sie keine 16 Stunden in der sengenden Sonne durchstehen konnte.

*

Was war das?

Hatte sie da nicht eben auf der nächsten Düne etwas aufblitzen sehen?

Oder hatten ihre Augen sie genarrt, die zu diesem Zeitpunkt in die untergehende Sonne geblickt hatten?

Vorsichtig schirmte sie ihre Augen ein wenig gegen die brennende Sonne abund versuchte, das Blitzen noch einmal zu entdecken.

Und wirklich, es schien so, als läge auf der Kuppe der Düne vor ihr ein metallischer Gegenstand.Eigentlich konnte es ja kaum schaden, wenn sie ihn sich einmal ansehen würde,

auch wenn sie ein wenig dabei von ihrer eingeschlagenen Richtung abwich, dachte sie bei sich.

Lange hatte sie sowieso nicht mehr zu leben, wenn sie nicht bald Wasser finden würde.

Und die Aussichten darauf waren zur Zeit nicht gerade rosig.

Während die Sonne langsam in der Wüste zu versinken schien und den Sand in ein unwirkliches Licht tauchte, kroch sie mühsam auf allen Vieren die Düne hinauf.

Mehr als einmal rutschte sie trotz aller Vorsicht ein wenig rückwärts, als der lockere Sand sich unter ihrem Gewicht nach unten in das Tal bewegte.

Doch schließlich hatte sie es geschafft, wenn es ihr auch schwerer gefallen war als bei den letzten Dünen.

Ein sicheres Zeichen, daß ihre Kräfte langsam aber sicher für immer schwanden.

Dann erblickte sie den Gegenstand, der ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte, in einiger Entfernung.

Beim Klettern mußte sie auch noch die Richtung verloren haben, denn eigentlich wollte sie die Düne wesentlich näher zu diesem Ding erklettert haben.

So konnte sie nur erkennen, daß da irgendetwas halb begraben im Sande lag.

Langsam raffte sie sich auf und stand schließlich leicht schwankend auf der Kuppe der Düne, näherte sich mit kleinen, schlurfenden Schritten dem Etwas

und erkannte erst als sie es schon fast erreicht hatte, daß es sich um eine metallene Flasche handelte.Dieser Anblick gab ihr neue Kraft, schließlich bewahrte man in Flaschen meistens Flüssigkeiten auf,und wenn diese noch gut verschlossen war,

war es vielleicht möglich, daß noch ein Schluck Wasser in ihr war.

Mit wenigen Schritten hatte sie die Flasche erreicht und ließ sich neben ihr auf den Sand fallen.

Ihre zitternden Hände griffen nach der Flasche, doch kaum berührten ihre Fingerspitzen das Metall,

durchfuhr ein stechender Schmerz ihre Hand,die sich reflexartig wieder zurückzog.

Daran hätte sie eigentlich denken können, schalt sie sich selbst.

Schließlich lag dieses Metall seit wer- weiß-wie-lange in der Wüste,und die Sonnenstrahlen hatten es bis fast zur Glut aufgeheizt.

Den Tränen nahe und leise vor sich hinfluchend riß sie sich einen Streifen Stoff von ihrer Kleidung,wickelte ihn um ihre Hand und griff so geschützt

nach dem heißen Metall.

Zwar spürte sie auch so noch die Wärme, doch war sie im Gegensatz zu einem Griff mit ungeschützten Fingern noch gerade so auszuhalten.

Die reich verzierte Flasche wog schwer in ihren Händen, und ihre Hoffnung, vielleicht mehr als einen Schluck Flüssigkeit in ihr zu finden, verstärkte sich bei jedem Versuch,

den Korken aus der Flasche zu ziehen, der diese fest verschloß.

Endlich gelang es ihr, den Korken zu lösen, und vorsichtig, um nur ja keinen Tropfen zu verschwenden, wollte sie ein wenig des Inhaltes in ihre Hand schütten.

**

Doch nicht das erwartete Naß kam aus dem Flaschenhals, sondern nur ein Häufchen knochentrockenen Staubs.Mit einem Aufschrei der Verzweiflung warf sie die Flasche von sich und brach auf dem heißen Sand zusammen.

Sie hatte sich von dem Eigengewicht der Flasche narren lassen,das ihr vorgegaukelt hatte, es wäre etwas in ihr gewesen.

"Verdammt! Wo bin ich denn hier hingeraten?"

hörte sie eine klare Stimme, die nicht weit von ihr zu erklingen schien.

Verwirrt blickte sie auf, war jedoch durch ihre Tränen und den letzten Rest der untergehenden Sonne so geblendet,daß sie zuerst nichts erkennen konnte.

"Mitten in der Wüste hat er mich also ausgesetzt!So eine Scheiße! Ich sollte ihn ein wenig foltern, wenn ich nur wüßte, wo der Mistkerl ist!"

Langsam klärte sich ihr Blick, doch noch weigerte sich ihr Verstand zu begreifen,was ihre Augen noch leicht verschwommen wahrnahmen.

An der Stelle, wo sie die Flasche hingeworfen hatte, schwebte eine Wolke feinen Rauchs in der Luft,die sich langsam auflöste und die Gestalt einer Frau preisgab,

die für diese unwirtliche Gegend nicht gerade passend gekleidet war.

Vielmehr hätte man sie in irgendeinem Harem erwartet, aber nicht in dieser gnadenlosen Wüste.

Es mußte eine Fata Morgana sein, redete ihr Verstand ihr ein, und sie war bereit, ihm zu glauben.

Allerdings hatte sie noch nie von einer Fata Morgana gehört, die redete,und schon gar nicht von ei-ner, die Flüche kannte, von denen sie noch nie etwas gehört hatte.

"He, Du", sprach die Fata Morgana anscheinend mit ihr.

"Kannst du dir vorstellen, daß dieser blöde Scheißkerl mich buchstäblich in die Wüste geschickt hat?

Mich? Sharina El Dabrifa aus dem Geschlecht der Mukala?!?

Der soll was erleben, wenn ich den in die Finger kriege!

Ich werde ihn zu Hackfleisch zermalmen, ihn braten und dann an die Löwen verfüttern!"

Vielleicht war es ja doch keine Fata Morgana, was da vor ihr im Sand der Wüste stand. Vielleicht war die Frau ja doch echt?

"Wasser...", entfleuchte es kaum hörbar ihren Lippen.

Die Fremde unterbrach ihre Litanei, anscheinend verwirrt, daß sie ihr nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte.

"Was? Sach' mal, kannst du auch deutlich reden?Ich hab' dich echt nicht verstanden."

Sie schluckte trocken, versuchte die Reste des nicht vorhandenen Speichels in ihrem Mund zusammenzuführen,und krächzte dann noch einmal:

"Wasser..."

" Ach so, Wasser meintest du. Warum hast du das denn nicht gleich gesagt? Warte mal... Ich glaube...Nee... Hier auch nicht..."

Sie fummelte in den Taschen ihres Gewandes, das eigentlich keinen Platz für Taschen bieten sollte, undholte schließlich ein kleines Fläschchen hervor.

"Hier, trink das. Ist zwar kein Wasser, könnte dir aber auch helfen.Mir jedenfalls hilft es immer, wenn ich durstig bin."

Gierig griff die Verdurstende nach dem Fläschchen, schüttete sich dessen Inhalt in den weit geöffneten Mund und schluckte ein wenig der Flüssigkeit.

In einer weiten Sprühfontäne verließ der Rest der Flüssigkeit ihren Mund wieder auf demWege, auf dem er hineingekommen war.

"Hei Was machst du da? Was soll der Mist? Das Zeug ist zu wertvoll, um es einfach wieder auszuspucken! Gib sofort her!"

Sharina riß das Fläschchen an sich, nahm einen kleinen Schluck daraus und warf es dann weg.

"Na siehst du, was du angerichtet hast. Praktisch alles ist verschüttet."

Der Verdurstenden wurde langsam schwarz vor Augen, was nicht nur daran lag, daß die Sonne inzwischen vollkommen versunken war.

Sie kippte langsam zurück auf den Sand.

"Hm, vielleicht war gegorener Pflaumensaft doch nicht so ganz das richtige für die Kleine.Mal sehen, was wir da machen können..."

Schlagartig wich die Wärme des Tages und machte einer angenehmen Kühle Platz.

Leise raschelte ein leichter Windstoß durch die Baumwipfel, und das Plätschern von Wasser drang an ihre Ohren.

Die Verdurstende öffnete die Augen und sah sich am Rand eines kleinen Teiches mitten auf einer grünen Wiese liegen.

"Sorry, das ist das Beste, was ich auf die Schnelle gefunden habe.Ist zwar nicht gerade die vornehmste Herberge, aber immerhin besser als nichts."

Mit einem Schlag kehrten die Lebensgeister der Verdurstenden zurück,wahrscheinlich waren sie mindestens genauso durstig wie sie,

und so drängten sie sie dazu, sich fast in das Wasser hineinzulegen, das angenehm kühl durch ihre Kehle drang.

"He, he, nur nicht so hastig. Das kann doch gar nicht gutgehen.Na siehst du, ich habe es dir ja prophezeit."

Mit einem tadelnden Blick sah Sharina auf die andere Frau herunter,die sich hustend aus dem Wasser zog.

"So viel Wasser auf einmal ist ungesund, das hat meine Mutterauch immer gesagt.

Deshalb halte ich mich auch lieber an andere Getränke. "

"Was ist passiert? Wie komme ich hierher? Wer bist du eigentlich?"

***

Die Verwirrung stand ihr im Gesicht geschrieben, als sie endlich ihren Hustenanfall überwunden hatte und mit tropfnassen Haaren im Gras saß.

"Na, also hör mal, das sind ja gleich drei Fragen auf einmal.

Aber gut, ich will mal versuchen, dir die Sache so einfach wie möglich zu erklären.

Paß also gut auf: Ich bin Sharina El Dabrifa aus dem Geschlecht der Mukala.

Und ich bin eine Dschinni.

Und du bist hier, weil ich dich hierhin gebracht habe, um dich vor dem Verdursten zu retten.

So als kleine Dankbarkeit, weil du mich aus der Flasche befreit hast, in der ich die letzten achthundert Jahre gesteckt habe.

Soweit alles klar? Na dann ist ja gut.

Ach ja, wer bist denn du eigentlich?"

"Wenn ich das wüßte. Ich muß irgendwie mein Gedächtnis verloren haben."

"Hm, so ein Pech, ein Gedächtnis hab' ich nirgendwo herumliegen sehen.Ich fürchte, ich kann dir in dem Fall auch nicht weiterhelfen.

Naja, macht ja auch nichts. Wäre aber nicht schlecht, wenn ich wüßte, wie ich dich anreden sollte.

Immerzu 'Meisterin' zu sagen ist mir ehrlich gesagt ein bißchen zu blöde.

Außerdem ist das doch kein ordentlicher Name für eine Frau..."

"'Meisterin'? Wieso 'Meisterin'?"

"Ja, sag mal, hast du denn noch nie etwas von dem Gesetz der Dschinnis gehört?

Das ist doch ganz einfach: Der jenige, der eine von uns aus ihrer Flasche befreit, ist unser neuer Meister, und wir müssen ihm gehorchen.

Übrigens, ich glaube, ich werde dich Sandra nennen.

Ich find das irgendwie passend, schließlich haben wir uns ja auch mitten im Sand getroffen - findest du nicht?"

'Sandra' war nicht wenig verwirrt.

"Ja, ja, ist mir schon recht...", gähnte sie die Dschinni an.

"Na, dann ist ja gut. Was meinst du eigentlich, was sollten wir als nächstes unternehmen?

Ich meine, wenn du hier genug getrunken hast.Ist ja nicht gerade ein Ort, an dem man den Rest seines Lebens verbringen möchte,

vor allem, wenn man noch das ein oder andere Jahrtausend vor sich hat,so wie ich.

Also, ich würde ja ganz gerne mal wieder..."Sharinas Redefluß wurde von einem leisen Schnarchen unterbrochen.

"Na, sowas. Die ist doch tatsächlich eingeschlafen. So eine Schlafmütze aber auch. Naja, dann kannich mich ja hier noch ein wenig frischmachen.

Die lange Zeit in der Flasche ist meiner Frisur eigentlich gar nicht bekommen."

****

Beim ersten Sonnenstrahl öffneten sich Sandras Augen.

Meine Güte, was hatte sie für einen verrückten Traum gehabt.

Die absolute Härte war ja diese verrückte Dschinni gewesen.

Sie blickte sich um, und der Schreck fuhr ihr in die Glieder.

Das Gras, der kleine See, die Bäume - anscheinend war es doch kein Alptraum gewesen,

der sie heimgesucht hatte.Schleunigst schloß sie die Augen wieder,

nur um sie kurz danach wieder aufzumachen und festzustellen,

daß sie sich immer noch in derselben Umgebung befand wie vorher.

Schade, irgendwie hatte sie gehofft, sie träumte immer noch.

Nur wenige Meter neben sich erblickte sie nun auch die Flasche, in der sie die Dschinni gefunden hatte.

Von Sharina selbst jedoch war keine Spur zu sehen.

Na umso besser, dachte sie, dannkann sie mich wenigstens nicht nerven.

"He", erklang da die helle Stimme der Dschinni hinter ihr

" Na, auch schon aufgewacht? Meine Güte, bist du vielleicht eine Schlafmütze. Die ganze Nacht hast du verschlafen.

Und dabei hätten wir uns so eineschöne Zeit machen können. Wenn ich da an die nächtlichen Bars von Sahur AI Beida denke.

Der 'Zuckende Turban' war da schon immer meine Lieblingskneipe.

Ich könnte dir da von Männern erzählen, die mit dir Sachen anstellen,von denen du bisher noch nicht einmal geträumt hast.

Und wenn eine Dschinni sowas zu dir sagt,kannst du ihr das ruhig glauben.

Und wenn dieser Mistkerl von Kamelreiter mich nicht in die Wüste geschickt hätte..

Aber ich habe da eine Idee.

Was hältst du da- von, wenn wir uns dort mal ein bißchen umsehen?Ich bin gespannt, ob es immer noch so wild ist.

Und ich hab schon seit Ewigkeiten keinen Mann mehr gesehen.

Was meinst Du?

Es wird dir bestimmt Spaß machen, Sandra.

Na los, wünsch dir schon,

daß ich uns dorthin bringe. Nun mach schon."

Sandra war verwirrt.

Die Dschinni hatte sie mit ihrem Redefluß so zugeschüttet, daß sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.

"Moment, nicht so schnell.Ich muß erst mal nachdenken. Außerdem bin ich noch ziemlich schwach."

"Na, du bist mir aber eine lahme Trantüte. Und wofür habe ich mich jetzt die ganze Nacht schöngemacht?

Meinst du etwa, ich hätte Lust, noch länger hier in der Einöde zu verbringen?

Na gut. du bis: schließlich die Meisterin.

Ich mach es mir noch ein wenig in der Flasche gemütlich.

Du kannst mich dann ja rufen, wenn du dich endlich entschieden hast.

Aber warte nicht zu lange, sonst gehe ich ohne dich."

"Das kannst du sowieso nicht.Schließlich mußt du mir gehorchen, oder etwa nicht?"

"Mist, ich hätte dir nicht so viel erzählen sollen. Naja. bis später dann."

Kaum war die Dschinni in der Flasche verschwunden, griff Sandra nach dem Korken und verschloß die Öffnung.

Die Dschinni war sie erstmal wieder los.

Später konnte sie sie ja immer noch herauslassen - aber nur, wenn sie ihr versprach, sich endlich ordentlich zu benehmen.

Inzwischen hatte sie wenigstens ihre Ruhe vor diesem Quälgeist.

Mit noch etwas steifen Gliedern entkleidete sie sich und stieg in das klare Wasser, um ein Bad zu nehmen.

Es war herrlich erfrischend, und sie spürte ihre Lebensgeister wieder vollzählig in ihren Körper zurückehren,und so schwamm sie quer durch den kleinen See bis an das andere Ufer.

Als sie es erreichte, kletterte sie den kleinen Abhangempor und breitete ihren Körper in der Sonne aus, die hier gar nicht so schlimm schien wie am gestrigen Tag.

Vielleicht war es aber auch nur der kühle Luftzug, der über den See zu ihr hinwehte, der dieses Gefühl mit sich brachte.Wohlig seufzend schloß sie kurz die Augen.

*****

Sie mußte eingeschlafen sein, denn als sie die Augen wieder öffnete, war die Sonne bereits ein ganzes Stück weiter am Himmel gewandert,

und auch die zweite Sonne schaute bereits über den Horizont.

Als sie über den See blickte, sah sie dort die Gestalt eines Menschen stehen.

Wie war diese verrückte Dschinni denn aus ihrer Flasche herausgekommen, dachte sie,dann erkannte sie, daß es sich nicht um die Dschinni, sondern um einen Mann handelte, der sich neben ihre Kleidung gesetzt hatte und zu ihr hinübersah.

Erschrocken flüchtete sie in den See, damit das Wasser ihre Blöße bedecken konnte,und schwamm dem anderen Ufer entgegen.

Der Fremde richtete sich auf, und sie konnte erkennen,daß es sich um einen Wüstenreiter handelte.

Er hatte einen weiten Umhang um sich geschlungen, der in der leichten Brise um seinen wohlgebauten Körper herumwehte.

Auch sonst schien der Fremde nicht gerade schlecht auszusehen, auch wenn sie schräg in die Sonne blicken mußte, um ihn genauer zu betrachten.

Als sie näherkam, winkte der Fremde ihr freundlich zu.

So ganz wohl war ihr ja nicht in ihrer Haut, aber dennoch winkte sie zurück und rief ihm zu:

"Könntet Ihr Euch wohl umdrehen, damit ich mich anziehen kann?"

"Gerne, meine Dame", rief der Fremde zurück,und seine wohltönende Stimme ließ einen Schauer über ihre Wirbelsäule nach unten rinnen.

Sie überlegte, was ein Mann alleine in der Wüste machte,und ob sie nicht etwas mit ihm anfangen sollte,doch dann fiel ihr die Dschinni Sharina wieder ein.

Dieses Problem war erst einmal vorrangig.

Der Fremde drehte sich tatsächlich um, als sie sich anschickte, aus dem Wasser zu klettern,

und ging sogar ein paar Schritte zur Seite.

"Ich hoffe, ich habe Euch nicht allzusehr in Verlegenheit gebracht, aber ich konnte einfach nicht anders, als zu Euch herüberzusehen.

Ich möchte mich dafür entschuldigen."

"Eure Entschuldigung wird von mir gerne angenommen, mein Herr.Wartet nur noch ein kleines bißchen."

Sandra zog sich ihre Kleidung mit einer Geschwindigkeit an, wie es nur Menschen können, die sich der Gefahr bewußt sind,

daß ein anderer sich doch jeden Moment herumdrehen und ihre Blöße sehen könnte,obwohl er doch gegenteiliges versprochen hatte.

Doch ihre Sorge war unbegründet.

Als sie gerade fertig war und dem Fremden mitteilen wollte, daß er sich wieder umdrehen könne, ertönte eine helle Stimme."Na endlich. Wurde aber auch Zeit, daß du dich mal wieder ein bißchen um mich kümmerst. Was meinst du eigentlich wie eng es indieser... Oh... Du bist ja gar nicht..."

Alarmiert drehte sich Sandra um.

Bei dem Anblick, dessen sie nun gewahr wurde, verfluchte sie sich, dem Fremden den Rücken gekehrt zu haben.

Dieser hatte die Flasche entdeckt, und sie auch noch geöffnet.

"Ohlala, wen haben wir denn da? Du bist aber eine wirkliche Schönheit."

"Ah, ein Kenner, habe ich den Eindruck.Wie schön, daß du mich gefunden hast. Sag mal, weißt du eigentlich, wer ich bin?"

"Eine Dschinni?" fragte der Fremde.

"Richtig. Wie schön, ein Mann, der auch denken kann",klang Sharinas glockenhelle Stimme fast flötend zu Sandra hinüber.

Dann wandte sich die Dschinni an sie.

"He, Kleine, tut mir wirklich leid, aber du mußtest ja auch so trantütig sein, dir die Flasche abnehmen zu lassen. Weißt du, der Kerl ist jetzt mein Meister,

schließlich hat er mich befreit, und nach dem alten Dschinni-Gesetz...Na, du kannst dir schon vorstellen.

War eigentlich ganz nett, dich kennen gelernt zu haben.Auch wenn du ein wenig lahm bist.

Naja, die Bar werden wir wohl nicht mehr zusammen besuchen können."

Dann wandte sie sich wieder ihrem neuen Meister zu.

"Darf ich?"

Der Fremde schein ganz ihrem Bann verfallen zu sein, denn er reagierte nur mit einem kurzen Nicken auf ihre Frage, während er sie weiter anstarrte, als ob er noch nie in

seinem Leben eine Frau gesehen hätte.

"Na, Kleine, du hast ja richtig Glück. Dann mal auf Wiedersehen. Vielleicht treffen wir uns ja mal irgendwann."

*****

Sandra wurde es für einen Augenblick dunkel vor Augen, dann stand sie vor dem Regierungspalast der Pharaonin.

Wenn sie doch nur ihr Gedächtnis wiederhätte, dann könnte sie ihren Auftrag auch ausführen. Aber wenigstens war sie von dem Quälgeist befreit.

Ende

7/95 by Winfried Brand/

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